In seinem neuen
featured-Beitrag schreibt Philipp Sarasin über die vor kurzem auf Deutsch erschienenen Vorlesung
Die Regierung der Lebenden von 1979-1980. Ihr kommt insofern eine Scharnierfunktion zu, indem sie am Übergang zum "Spätwerk" eine, wie Foucault explizt sagt, neue "Verschiebung" vornimmt: die Verschiebung vom "Wissen" zur "Wahrheit". Ausgehend von einer detaillierten Interpretation des
König Ödipus von Sophokles argumentiert Foucault, dass Macht nicht nur auf Wahrheit verwiesen, von der Manifestation einer Wahrheit abhängig sei, sondern auch, dass seit jener Zeit – und dann in neuer Weise seit dem Christentum – Subjekte auf die Wahrheit bezogen sind und
durch die Wahrheit regiert werden. Für Foucault ist diese Verschiebung vom "Wissen" zur "Wahrheit" keine blosse
façon de parler: Die Wahrheit erscheint in dieser Vorlesung nicht mehr länger in genealogischer Perspektive als ein kontingentes Wissen, dass in Kämpfen sich als "Wahrheit" etablieren konnte. Sie aussprechen sei vielmehr eine ethische Haltung, die am Anfang jeden Widerstandes gegen die Macht stehe. Wahrheit ist, mit anderen Worten, nicht blosse Ideologie, eine reine Funktion von Macht, sondern ebenso eine Ressource des Subjekts, der Macht zu widerstehen.
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